Sonntag, 10. Juli 2011

Berichterstattung und deren Relationen

Robert Mugabe ist kein gewählter Präsident. Er ist korrupt und hat Simbabwe, ein Land, dem es einmal gut gegangen ist, heruntergewirtschaftet. In Simbabwe sind aktuell ca. 31.000 Menschen mit der Cholera infiziert, ca. 1.600 sind bereits gestorben (Quelle: WHO, sowie Tagesschau.de vom 02.01.09). Gewässer sind verseucht, Brunnen, keine Nahrung. Keine Medikamente. Tausende flüchten sich nach Südafrika.

Eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Kein Walter Steinmeier, kein Präsident Nicolas Sarkozy, nicht die tschechische EU-Präsidentschaft, kein Mubarak, keine englischen Regierungsvertreter machen sich einen Namen damit, die dortige Situation zu beruhigen, Druck auszuüben oder einzugreifen. Selbst “der sanfte Sekretär“ (sueddeutsche.de), UN-Sekretär Ban Ki Moon, mahnt, aber bewegt niemanden zum Handeln.

Derselbe Ban Ki Moon lässt verlauten, dass er “kein Ende der Kämpfe in Darfur“ sieht, es sich dort sogar um einen “Völkermord“ handelt. Hunderttausende sind von Tod, Vertreibung, Vergewaltigung betroffen. Laut Spiegel online sterben in Darfur pro Monat bis zu 10.000 Menschen, die von arabischen Reitertruppen getötet werden. Eine unvorstellbare humanitäre Katastrophe. Weltweit hört man von keiner Demonstration von Moslems, die gegen den Völkermord der Moslems in Sudan aufbegehren oder ihre neu gewonnen Rechte in ihren Gastländern nutzen, um sich zu distanzieren. 

Der südossetische Generalstaatsanwalt Taimuras Chugajew sprach am 10.09.08 von vorläufig 1.692 Toten. Human Rights Watch (HRW) sprich von 24.000 Menschen, die nach Russland geflohen sind. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtete von 115.000 Zivilisten, die sich in Georgien und Russland auf der Flucht befinden würden. Georgien und Russland bezeichnen sich als Demokratien und lassen eine solch unvorstellbare humanitäre Katastrophe zu, die trotz der Reisetätigkeiten des Präsidenten der “Grande Nation“ kein Ende findet, Reisen für PR.

In den USA wurden in 2008 36 Menschen hingerichtet, über 11.000 Menschen (Quelle FBI) wurden gemordet (Jahr für Jahr). Das käme in anderen Regionen einem Bürgerkrieg gleich. Zum Vergleich: Im gesamten Vietnam-Krieg starben ca. 55.000 US-Soldaten (das entspricht den Morden von fünf Jahren). Allein in 2006 stiegen die Gewalttaten in den USA um 8,4 %. Die Tötungsdelikte unter schwarzen Jugendlichen stiegen im letzten Jahr sogar um ca. 34 %. Ein unvorstellbares Drama in der Führungsnation der westlichen Welt, gegen das man keine Proteste von den so redseligen europäischen Politikern hört. Kein Sarkozy, kein Steinmeier, kein Gordon Brown. Reicht wohl nicht für eine gute PR. Saudi Arabien hat 102 Menschen in 2008 hingerichtet. In China sind es ungezählte Mengen. Weltweit ca. 8.000 in 2007 (Quelle: n-tv.de). 

Was hat dieses Gebaren mit Zivilisation zu tun? Was macht es weniger dramatisch als den aktuellen Waffengang Israels?

In 2008 wurden 1.000 Raketen auf Israel abgeschossen, seit 2001 10.300 Raketen (Tagesschau.de). Da existieren Kinder, die noch nie etwas anderes wahrgenommen haben als die Sirenen, die Bunker, die Angst, jeden Tag mehrmals, Krieg ohne Ende, Terror für die Psyche, Schäden für ein Leben. Nur waren weltweit keine Proteste zu sehen. Die EU und damit auch die Bundesrepublik finanzieren anstatt dessen Palästinensergebiete, weil die eigenen arabischen Brüder sich da eher zurückhalten. Die Palästinenser, die sich in einer freien Wahl für die Hamas entschieden haben, nutzen diese finanziellen Möglichkeiten, um Waffen in den Gaza-Streifen zu schmuggeln, sie handeln sogar mit den Hilfsgütern oder aber verteilen nach Gutdünken. Was tut Ägypten? 

Ägypten drückt beim Waffenschieben, bei der Radikalisierung im Gaza-Streifen ein Auge zu, während es jetzt die Grenzanlagen schließt, weil es die flüchtenden Zivilisten nicht aufnehmen will, Ägypten, ein arabisch-islamisches Bruderland, denn die Hamas hat ihre Wurzeln in der ägyptischen Moslembrüderschaft und entstand während des ersten Aufstandes in Palästina 1987.

Die palästinensischen Wähler wussten, dass es mit der Hamas keinen Frieden geben wird. Die Hamas hat einen erbarmungslosen Krieg auf ihre Fahnen geschrieben, die Vernichtung Israels, ein Groß-Palästina und das Schaffen einer islamischen Gesellschaftsordnung, ganz die Lakaien Irans, von wo aus die Hamas u.a. finanziert wird. Dennoch wurde sie mit überwältigender Mehrheit 2006 gewählt und lieferte sich einen erbarmungslosen Bruderkrieg mit der Fatah. 2007 übernahm die Organisation gewaltsam die Führung im Gaza-Streifen. Der Präsident der Palästinenser floh ins Westjordanland. Es gab keine Proteste gegen den andauernden Raketenbeschuss, der seit Jahren anhält, keine in Palästina, keine in Europa oder der so genannten arabischen oder islamischen Welt. Es hat auch niemand protestiert, als Palästinenser während des Bruderkrieges keine Rücksicht auf Kinder, Frauen oder sonstige Zivilisten genommen haben. Doch Herr Steinmeier war nicht zu hören, was daran liegen mag, dass er noch nicht zum Kanzler-Kandidaten gekürt war.

Heute feiert die Hamas den Sieg über Israel, ein unmissverständliches Zeichen für deren Wahrnehmungsverluste, für ihre rückwärtsgewandte Weltsicht, die in der gesamten islamischen Welt Schule macht. Sie stellen sogar den Waffenstillstand in Frage, denn tote Kinder sind die beste Öffentlichkeitsarbeit, die man sich denken kann. Zynisch.

Es ist schon schwierig nachzuvollziehen, dass man dem Prinzip “Auge um Auge, Zahn um Zahn” mit dem Hinhalten der anderen Wange reagieren möchte. Diesen Fehler, nach der erlebten Geschichte des jüdischen Volkes in den meisten Ländern Europas, die in der NS-Zeit lediglich ihren Höhepunkt gefunden hatte, wird diese Nation nie wieder begehen. Vor diesem Hintergrund ist es allerdings erstaunlich, dass die Hälfte der Deutschen Israel für ein aggressives Land hält, nicht dagegen die islamischen Agitatoren und ihre ungezählten Terroranschläge weltweit. Erinnern wir uns an die Olympischen Spiele in München, wo wieder Juden in Deutschland getötet wurden, nur weil sie Juden waren.

Während des Irak-Iran-Krieges, zweier islamischer Bruderländer, starben ca. eine Million Menschen. Beide Seiten kämpften im Namen ihres gemeinsamen Gottes. Iran schickte gar Alte und Kinder an die Front. Zudem vergaste Saddam 40.000 Kurden, natürlich auch Kinder und Frauen. Tausende fielen dem Kuwait-Feldzug zum Opfer. Unvorstellbare Zahlen, doch keine Demonstrationen weltweit, schon gar nicht von muslimischen Gläubigen in Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien, in Yemen oder Indonesien, in Jordanien oder Libyen, Marokko, Algerien oder Tunesien, Sudan, Mali oder der Türkei.

In den letzten zwei Jahren wurden in der Türkei ca. 4.700 Menschen von der Polizei gefoltert, schwer misshandelt, Vergewaltigungen von weiblichen Angehörigen oder Gefangenen sind an der Tagesordnung, viele Jugendliche sind betroffen. In Deutschland sterben unzählige jungen Frauen und Mädchen den “Ehrentod”, allein in 2008 wurden offiziell 18 gezählt, doch hört man keine Aufschreie von links, dagegen die Forderung, dass nach Obama in USA nun hoffentlich ein türkischstämmiger Politiker Kanzler in Deutschland würde. Ist das die “wehrhafte” Demokratie, die es sich leistet, ein steinzeitliches Ehrengehabe unvorstellbar ungebildeter Menschen in einer Parallelgesellschaft zuzulassen und es dann unter typisch traditionellen Verhaltensweisen erklärt und zuletzt auch toleriert, Beschimpfungen und Drohungen in Gerichtssälen zuzulassen? 

http://www.ehrenmord.de/doku/acht/doku_2008.php

Im Iran müssen sich homosexuelle Männer einer Operation unterziehen (Filmbericht ARD), das Geschlecht wechseln, um ungestraft in dem “Gottesstaat” leben zu dürfen, selbst dann, wenn sie sich überhaupt nicht als Frau fühlen, da nicht transsexuell. Ungezählte Männer werden wegen ihrer Sexualität öffentlich hingerichtet. Am 13.11.05 berichtete die halbstaatliche Teheran Kayhan, dass in Gorgan zwei Männer (Mokhtar 24, Ali 25) aufgrund ihrer Sexualität gehängt wurden (siehe Bild).

Nicht anders geht es in Ägypten zu, in Sudan, Algerien, Libyen, Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten, in Afghanistan, Tunesien oder Marokko, wo man mit hohen Gefängnisstrafen rechnen muss oder damit, dass man von den Nachbarn durch die Straßen getrieben wird, geschlagen, bespuckt oder aber Freiwild für Überfalle und Raub wird und ungezählte Tötungsdelikte, nicht selten unter den Augen der Polizei. 

http://www.queer.de/detail.php?article_id=8174

Wo bleiben die Aufschreie der Homosexuellen-Organisationen im Westen? Anstatt dessen werden die arabischen Staaten für Schwule als Eldorado für billigen Sex präsentiert. 

Ca. 550.000 Frauen sterben im Zuge der Schwangerschaft und der Geburt ihrer Kinder weltweit. Darunter 3.000 in den Industriestaaten und Osteuropa, über 280.000 in Afrika, weit über 230.000 in Südasien. Es fehlt an guter Nahrung, Hygiene, Medizin, Betreuung. Eine völlig unvorstellbare Größenordnung, die sich jedes Jahr wiederholt und doch nur eine Nachricht im Jahr wert ist, wenn auch nicht jedes Jahr.

Laut aktuellen Schätzungen sind seit dem Beginn des Einmarsches der US-Truppen im Irak 150.000 Menschen umgekommen (Zählung WHO, NZZ online). Das dortige Gesundheitsministerium schätzt weiter, dass im Schnitt 80 Menschen am Tag durch islamische Terrorakte der unterschiedlichen moslemischen Gruppen gegen Moslems umkommen. Das entspricht knapp 30.000 Menschen im Jahr. Unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen sprechen sogar von weit mehr als 650.000 Menschen, die durch gegenseitigen Bombenterror bisher umgekommen sind (http://www.netzeitung.de/spezial/irak/445891.html) Wo sind die Demonstranten in Berlin, München, Paris, London, die Demonstrationen in Gaza, dem Westjordanland, in Teheran, Pakistan oder den USA?

Ca. 4.000 Menschen starben im letzten Jahr durch Gewehre und Bomben moslemischer Brüder in Afghanistan. Sieht so der Kampf gegen Besatzungstruppen aus? Nein, es ist eine Tragödie gegen das eigene Volk, gegen unbeteiligte Zivilisten, Kinder, Frauen und Männer. Keine Demonstration, auch und natürlich nicht in der arabischen Welt, im Gegenteil wächst die Anhängerschaft der Taliban. Erschütternd!

In Gaza starben bisher ca. 1.400 Menschen (Redaktionsschluss), etwa die Hälfte Zivilisten. Das ist ein nicht zu entschuldigendes Drama. Israel lässt humanitäre Hilfe zu, hat sich an den Waffenstillstand gehalten. Die Hamas nicht. Israel fährt und fliegt verletzte Palästinenser, selbst Hamas-Kämpfer, in israelische Krankenhäuser aus. Ägypten schließt die Grenzen. Israel bemüht sich, in einem sehr umfangreichen Waffengang die Zivilbevölkerung zu schonen. Die Hamas baut Raketenwerfer in Schulen, Moscheen und Wohngegenden auf. Neben Israel lehnte im übrigen auch die Hamas eine Waffenruhe standhaft ab, wollte den Raketenbeschuss nicht einstellen, weil natürlich die Hamas oder Hisbollah im Libanon und deren Führer im sicheren Ausland ihre Daseinsberechtigung verlieren, käme es zu einem Waffenstillstand, schlimmer noch, käme es zu einem Frieden. Dann nämlich würde gewahr, dass diese Menschen keine Leistung für ihre Heimat und Völker in der Lage sind zu vollbringen. Da bleibt nur die Berechtigung durch die militärische Auseinandersetzung. Doch wer unter den arabischen Führern und der Bevölkerung hat den Mut, sich zu distanzieren, die Terroristen zu vertreiben oder ihnen die Unterstützung zu versagen, ohne die ein solcher Terror auch gegen das eigene Volk nicht möglich wäre?

100.000 Menschen weltweit demonstrieren, in Paris mit unvorstellbarer Gewalt. Dabei handelt es sich zumeist um jene Moslems, die aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen ihre arabischen oder islamischen Heimatländer verlassen mussten, flüchten, zum großen Teil auch Asyl erhielten, jene Menschen, die vielleicht mit ihrem Aufbegehren in der eigenen Heimat selbst an Veränderung und Verbesserung teilhaben könnten, anstatt die Dinge aus der Ferne zu bewerten und gewalttätig zu werden und dabei die Umstände in den eigenen Heimatstaaten, dabei handelt es sich mehrheitlich nicht um Palästina, auszublenden, wo Gewaltregimes herrschen und unterdrücken. Die meisten arabischen oder islamischen Staaten stehen nun wirklich nicht im direkten Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt, verbindend allerdings ist die Rückständigkeit, das Gewaltpotential, undemokratische Regime und die tief in der Bevölkerung verwurzelte Verfolgung und Tötung von Minderheiten und Andersdenkenden, derzeit den Christen im Irak.

Und die westlichen Demokratien tun gut daran, sich nicht laufend instrumentalisieren zu lassen oder weiterhin Gewalt und Terror soziologisch zu erklären anstatt mit allen Mitteln zu bekämpfen. Es geht hier um mehr. Es geht um die Rückführung der europäischen Systeme und Zivilisationen in die Zeit der Gewalt, der Unterdrückung und der Herrschaft durch unverstandene Religion und ein absurdes und völlig unmenschliches Ehrverständnis. Die Geschichte hat gezeigt, dass Verständnis für die Position des Gegenübers richtig ist, Unterordnung unter absolutistische Denkstrukturen aber nicht. Europas jüngste Geschichte hat das deutlich gemacht.

Mit diesem Kommentar beabsichtige ich nicht, irgendetwas zu beschönigen, zu relativieren oder gutzuheißen. Es geht mir darum, kulturelle und moralische Ansprüche und die oftmals sehr einseitige Berichterstattung der Medien zu relativieren und die Sympathien oder Notwendigkeiten in der Berichterstattung mancher Nachrichtenredaktionen oder die politischen Interessenlagen mancher Politiker und die Herkunft von Protesten aufzuzeigen.

Was das alles mit Kultur zu tun hat, werden sich jetzt wieder einige Leser fragen.

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